Mittwoch, 21. Dezember 2016

Verbietet die Bibel Homosexualität?

Was lehrt die Bibel wirklich über Homosexualität? 

Werden Schwule und Lesben in der Bibel verurteilt?

Auf welche Stellen wird sich hierbei bezogen? Pro? Contra?

Ursprünglich veröffentlicht am: 23.08.2015
Überarbeitet am: 21.12.2016

Der folgende Artikel soll umfassenden Aufschluss darüber geben, was die Bibel zu dem Thema sagt.
Vorweg sei gesagt: Es gibt zwei Lager. Das eine sieht in der Bibel einige Stellen, die für sie eindeutig gegen ein Gutheißen von Homosexualität sprechen. Das andere Lager stellt fest, dass alternative Übersetzungsmöglichkeiten und der literarische und kulturelle Kontext Homosexualität in der Bibel anders erscheinen lassen, als es bislang im Allgemeinen angenommen wurde.



Als Grundlage verwende ich die Bibelübersetzung "Schlachter 2000" - eine traditionsbehaftete und respektierte deutsche Übersetzung, die erstmal 1905 erschien und durch gut verständliche Sprache sowie sehr genaue Übersetzung besticht.

Ich enthalte mich der Meinung und lasse die Bibel und deren Auslegung für sich selbst sprechen. Möge der Leser selbst urteilen und entscheiden.


3. Mose 18:22; 20:13
"Du sollst bei keinem Mann liegen, wie man bei einer Frau liegt, denn das ist ein Gräuel."
"Wenn ein Mann bei einem Mann liegt, als würde er bei einer Frau liegen, so sollen sie beide unbedingt getötet werden; sie haben eine schändliche Befleckung verübt; ihr Blut sei auf ihnen."

GEGEN HOMOSEXUALITÄT: 
  • Schon beim ersten Lesen ist klar, warum man diese Texte als gegen Homosexualität sprechend versteht.
FÜR HOMOSEXUALITÄT: 
  • Jesus Christus erlöste seine Nachfolger vom mosaischen Gesetz, wozu auch 3. Mose gehört. Daher ist es eine relativ schwache Argumentation, da den Israeliten bspw. auch das Stutzen des Bartes oder das Tätowieren verboten war, das Scheiden einer Ehe jedoch sogar erlaubt - also anders, als die für Christen geltenden Freiheiten und Grundsätze.
  • 3. Mose 18 und 20 sind in unmittelbarem Kontext von Geboten gegen Götzendienst (vgl. 3. Mo. 18:21; 20:2-6). Daher schlussfolgern manche Christen, dass die in götzendienerischen Völkern übliche Homosexualität deshalb verboten wurde, da sie oft als götzendienerische Handlung praktiziert worden sei und nicht wie in heutiger Zeit als Ausdruck von Gefühlen.
  • Einige Christen weisen zudem darauf hin, dass Homosexualität in einem sehr heißen Land wie Israel mit erschwertem Zugang zu ausreichend reinigendem Wasser und logischerweise keinen hygienischen Präservativen (wie dem Kondom) ein Gesundheitsrisiko für das ganze Volk dargestellt hätte, wenn bestimmte häufig unter Homosexuellen getätigten sexuelle Praktiken erlaubt gewesen wären. Auch deshalb sei Homosexualität verboten gewesen.
  • Da weibliche Homosexualität hier nicht erwähnt wird, wird dies als Indiz dafür gesehen, dass es tatsächlich mehr um götzendienerische Sexhandlungen ginge als um ein Gesetz zu Homosexualität im Allgemeinen.
  • Vereinzelt findet sich die Meinung, dass in diesen Versen nur bei götzendienerischen Tempelriten praktizierte homosexuelle Handlungen gemeint gewesen seien und nicht homosexuelle Handlungen als Gefühlsausdruck. Als Begründung wird angeführt, dass das verwendete hebräische Wort für "Gräuel" (toevah) in der Regel im Zusammenhang mit Götzendienst steht. (Allerdings werden auch leichtfertige Ehescheidung oder Betrug mit dem gleichen Wort verurteilt werden.)


Römer 1:26, 27
"Darum hat sie Gott auch dahingegeben in entehrende Leidenschaften; denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; gleicherweise haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sich gegeneinander entbrannt in ihrer Begierde und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den verdienten Lohn ihrer Verirrung an sich selbst empfangen."

GEGEN HOMOSEXUALITÄT: Die Verse sprechen wiederum für sich selbst.

FÜR HOMOSEXUALITÄT: 
  • Römer 1 steht im direkten Kontext zu Götzendienst. Die Verse 22 und 23 sprechen davon, wie närrisch die Menschen eher Abbilder von Menschen, Vögeln und Tieren anbeteten statt den Allmächtigen Gott. Als Folge davon trieben die Menschen allerlei Sünde, in dessen Zuge in Vers 26 und 27 homosexuelle Handlungen erwähnt werden. Daher wird argumentiert, dass auch hier die homosexuelle Handlungen in Zusammenhang und als Folge von Götzendienst zu verstehen seien und nicht wie heute in Verbindung mit dem Ausdruck ebenbürtiger menschlicher Hingezogenheit.


1. Korinther 6:9, 10
"Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reicht Gottes nicht erben werden? Irrt euch nicht: Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Weichlinge, noch Knabenschänder, weder Diebe noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde, noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes erben."

GEGEN HOMOSEXUALITÄT:

  • Die hier gebrauchten Wörter für "Weichlinge" und "Knabenschänder" können in einer erweiterten Übersetzung auch auf Homosexuelle angewandt werden. Einige Übersetzungen schreiben hier sogar "Homosexuelle" statt "Knabenschänder". 

FÜR HOMOSEXUALITÄT: 
  • Bspw. die Elbefelder Bibel benutzt die Begriffe "Lustknaben" und "Knabenschänder". Die meisten anderen modernen Bibelübersetzer sind sich einig, dass sich hier primär auf die in Rom und Griechenland verbreitete Päderastie ("Knabenliebe", d.h. den Sex von Männern mit minderjährigen Jungs) bezogen wird.


1. Timotheus 1:8-10
"Wir wissen aber, daß das Gesetz gut ist, wenn man es gesetzmäßig anwendet  und berücksichtigt, daß einem Gerechten kein Gesetz auferlegt ist, sondern Gesetzlosen und Widerspenstigen, Gottlosen und Sündern, Unheiligen und Gemeinen, solchen, die Vater und Mutter mißhandeln, Menschen töten, Unzüchtigen, Knabenschändern, Menschenräubern, Lügnern, Meineidigen und was sonst der gesunden Lehre widerspricht, nach dem Evangelium der Herrlichkeit des glückseligen Gottes, das mir anvertraut worden ist."

...verwendet das gleiche Wort wie 1. Kor. 6:9, 10 und kann daher analog hierzu angesehen werden.


Neben einigen Nebenbemerkungen (wie z.B. im Bericht über Sodom und Gomorrha) begegnet uns Homosexualität sonst nirgendwo mehr in der Bibel. Dies ist die komplette Grundlage, aufgrund deren man bewerten kann, ob die heutigen Ausprägungen von Homosexualität dadurch verurteilt werden oder nicht.


Eine zweischneidige Argumentation

GEGEN HOMOSEXUALITÄT: Falls es wirklich nur um die Verbindung zu Götzendienst gegangen wäre, hätte es Gott sicher klarer in seinem Wort ausgedrückt und würde uns heute nicht rumrätseln lassen.

FÜR HOMOSEXUALITÄT: Falls es sich wirklich um ein allgemeines Verbot der Homosexualität gehandelt hätte, hätte es Gott auch allgemein formulieren und unmissverständlich bestätigen lassen können

Wir sehen hier: Ein uns dieselbe Argumentation kann für beide Seiten genutzt werden.


Wie viele Menschen betrifft es?

Oft hört man, dass angeblich ca. 10 % der Bevölkerung homosexuell empfinden würden. Wikipedia zitiert zahlreiche Studien, hier ein Auszug (Hervorhebungen von dem Autoren; Wikipedia-Stand vom 26.08.2015):
"So schätzten sich etwa in einer repräsentativen Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2000 nur 1,3 bzw. 0,6 Prozent der in Deutschland lebenden Befragten als schwul bzw. lesbisch sowie 2,8 bzw. 2,5 Prozent als bisexuell ein."
"In Kanada stuften sich bei einer 2003 durchgeführten Umfrage unter Männern und Frauen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren 1,0 Prozent als homosexuell und 0,7 Prozent als bisexuell ein. In Großbritannien ergab eine Umfrage des Office for National Statistics aus dem Jahr 2011/2012, dass sich 1,1 Prozent aller befragten Personen als schwul oder lesbisch einschätzten"
Wenn wir diesen Studien nun Richtigkeit unterstellen, sprechen wir bei dem Thema von gerade einmal jedem hundertsten Menschen, nicht jedem zehnten.

Wir sprechen von gesellschaftlichen Ausnahmen, nicht von einer Gesellschaft, die versucht wäre, primär homosexuell zu werden. Dies sollte in der Diskussion beachtet werden, da einige Christen erfahrungsgemäß so reden, als würde die komplette Welt plötzlich "verschwulen". Einige Christen leiten aus der geringen Häufigkeit das Argument ab, dass die strengen Worte des Paulus und auch die in 3. Mose für rituelle homosexuelle Handlungen sprechen und nicht aufgrund natürlicher Gefühle. Nochmal zur Veranschaulichung: In einer Stadt leben 1000 Menschen und alle sind der Einfachkeit halber vergeben. Gerade mal 10 von diesen 1000 wären den Studien zufolge homosexuell. Wahrscheinlich würden sie gar nicht wirklich auffallen, wenn man sie nicht über lange Zeit beobachten würde. Dies soll wiederum kein Pro-Argument sein, sondern nur die demographische Lage veranschaulichen.

Ich finde es eine gute Sache, hier eine Art Nachschlagewerk zu Pro- und Kontraargumenten zu haben. Wem daher ein Argument fehlt, kann mich gerne anschreiben und ich ergänze es gerne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen