Donnerstag, 14. Mai 2015

Jehovas Zeugen und das "nur im Herrn"-Heiraten

Der Wachtturm, 15.08.2015, unter Überschrift "'Nur im Herrn' heiraten":
Die Bibel rät Gottes Dienern, die einen Ehepartner suchen, „nur im Herrn“ zu heiraten, das heißt also nur einen getauften Zeugen Jehovas, der nach der Bibel lebt (1. Kor. 7:39).
Das meint die Bibel also mit "nur im Herrn heiraten". Das ist ja interessant. Da darf man doch gespannt sein, woraus das hergeleitet wird. Hier also der ganze Abschnitt:
Auf den Umgang zu achten ist besonders für die wichtig, die gern heiraten möchten. Gottes Wort sagt nämlich ganz deutlich: „Lasst euch nicht in ein ungleiches Joch mit Ungläubigen spannen. Denn welche Gemeinschaft besteht zwischen Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Teilhaberschaft hat Licht mit Finsternis?“ (2. Kor. 6:14). Die Bibel rät Gottes Dienern, die einen Ehepartner suchen, „nur im Herrn“ zu heiraten, das heißt also nur einen getauften Zeugen Jehovas, der nach der Bibel lebt (1. Kor. 7:39). Wenn du dich daran hältst, wirst du einen Partner haben, der Jehova liebt und dir hilft treu zu bleiben.
Wir sehen richtig: Jehovas Zeugen haben es mittlerweile nicht mehr nötig zu begründen. Anscheinend wird davon ausgegangen, dass der Leser es ohne Zweifel so akzeptiert, wie es dort gedruckt wird, ohne die Interpretation infrage zu stellen. Sehen wir uns die "Argumentations"struktur kurz an:

Die Bibel rät Gottes Dienern, die einen Ehepartner suchen, „nur im Herrn“ zu heiraten, das heißt also nur einen getauften Zeugen Jehovas, der nach der Bibel lebt (1. Kor. 7:39).

Wir sehen hier also eine einfache, nicht kenntlichgemachte Interpretation. Während der blaue Teil ein korrekter Bibelverweis ist (wobei "im Herrn" von heutigen Bibelgelehrten oftmals im Sinne von "ohne den Herrn zu übergehen/außen vor zu lassen" oder auch "im Sinne/Geiste des Herrn"), ist der gelbe Teil eine abgefahrene Interpretation. Nichts im Bibelkontext oder im Vers selbst verweist auf die Religionszugehörigkeit des künftigen Ehepartners. Die Floskel "nur im Herrn" beschreibt die Berücksichtigung des Willens Gottes in der Lebensgestaltung. Das kann zu der Entscheidung führen, nur einen Mitchristen der gleichen Religion zu heiraten, aber dies ist eine Interpretation, nicht das was im Vers eigentlich geschrieben steht. Die Denkweise der Zeugen Jehovas ist folgende: 

"Nur im Herrn" = "im Sinne des Herrn" = "ein Christ sollte immer einen Christen heiraten" = "nur Jehovas Zeugen sind echte Christen" = "man sollte nur einen getauften Zeugen Jehovas heiraten"

Diese Gedankenkette wird entweder vorausgesetzt oder als nicht erwähnenswert beurteilt. Man pinselt also gleich die Interpretation als angeblich unumstößliche biblische Aussage hin. 1. Korinther 4:6 spricht davon, dass ein Christ nicht über das hinausgehen sollte, was geschrieben steht. Es sei mir die vorsichtige Frage erlaubt, ob ein Konstrukt wie hier dargestellt, nicht genau das ist: Etwas, das über das eigentlich Geschriebene hinausgeht. Statt das zu nehmen, was tatsächlich geschrieben steht, wird die eigentliche Aussage überladen und die Gewissensentscheidung des einzelnen Christen, was denn nun "im Sinne des Herrn" in Bezug auf die eigene künftige Ehe ist, vorweg genommen. Der Zeuge Jehovas darf es gewissermaßen gar nicht anders interpretieren. Polemisch gesagt: Es darf einfach nicht sein, dass auch andere Christen außerhalb der Zeugen Jehovas von Gott akzeptiert werden. Es darf nicht sein, dass die 8 Millionen Zeugen Jehovas nicht die einzigen wahren Christen auf unserem 7 Milliarden Menschen Planet sind. Und es darf auch nicht sein, dass sich der Vers vielmehr um die eigene innere Einstellung als um die Religionszugehörigkeit des künftigen Partners dreht. Oder etwas sarkastisch formuliert: Ist es vorstellbar, dass Jesus Christus eines Tages der Leitenden Körperschaft auf die Schulter klopft und sagt: 

"Das habt ihr sehr gut interpretiert, auch wenn es so gar nicht in dem Wort Gottes stand. Es ist ja nicht so, dass ich gesagt hätte, dass ich das Urteil sprechen werde, wer ein wahrer und wer ein falscher Christ ist - ihr habt gut daran getan, stets hervorzuheben, dass ihr meine einzig wahren Nachfolger seid. Demut und Bescheidenheit oder gar die Befürchtung, dass ich eure Meinung nicht teile, waren wirklich nicht angebracht. Zusatzregeln und Festlegungen, wie was zu verstehen ist, auch wenn man die Interpretationen häufig revidieren musste, waren eine wirklich christliche und gottgemäße Sache."

P.S.: Weshalb wurde dieser Eintrag auf diesem Blog veröffentlicht? Mir liegt nichts daran, gegen Jehovas Zeugen zu arbeiten. Aber mir liegt etwas an dem, was die Bibel sagt. Es ist für mich nicht vorstellbar, dass man als aufrichtiger Bibelleser eine derart festgefahrene Theologie als die Wahrheit akzeptieren kann, wenn etwas nicht in der Bibel stehendes als etwas in der Bibel stehendes verkauft wird, um die eigenen Dogmen und Regeln zu festigen.

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