Sonntag, 30. Juni 2013

Der Weg der Bibelbetrachtung

Im Folgenden möchte ich mich einem interessanten Thema widmen: Wie sich mit der Bibel beschäftigen?

Wer die ganze Bibel z.B. einmal in einem Jahr liest, wird zwar alles quasi gleich gewichtet mitbekommen und einen gewissen Gesamtüberblick bekommen, aber für tiefgehende Zusammenhänge, für Anspielungen von Hebräer auf das Gesetz Mose bspw., genügt es nicht. Wer das noch ein weiteres Jahr gleich danach macht, wird zwar ein besseres Verständnis bekommen, aber es wird meiner Beobachtung nach ebenfalls nicht reichen, um Verknüpfungen oder einen komplexeren Gesamtüberblick zu bekommen. Zu viele Details, die nicht eingeordnet werden können und zu viele Fragen, die nicht ohne weiteres beantwortet werden können, es sei denn man ließt Vers-für-Vers-Bibelkommentare nebenbei (was für jedes einzelne Bibelbuch in einem Jahr nicht möglich ist, wenn man Geld zum Unterhalt selbst verdienen muss).

Verlieren wir uns doch ein bisschen in Details an dieser Stelle: Wie wäre es denn, die Bibel nicht in einem Jahr durchzulesen, sondern sich ein Bibelbuch nach dem anderen vorzuknöpfen und allen Detailfragen nachzugehen? Nicht schlecht, um sich spezifisches Wissen aufzubauen. Doch einen Haken hat das für Menschen, die ein normal funktionierendes Gedächtnis haben: Wenn jemand in Jahr 1 bspw. u.a. intensiv das Markus-Evangelium Vers-für Vers durchstudiert und jeder einem aufgehenden Frage nachgeht (z.B. anhand von Bibelkommentaren) und derjenige ließt in Jahr 3 oder 4 nochmal das Markus-Evangelium - dann wird er sich wieder exakt die gleichen Fragen stellen, wie beim ersten Lesen. Das normal funktionierende menschliche Gehirn kann derartiges Detailwissen nicht abspeichern und wird sich nur die Passagen merken, die man mit besonderen Emotionen oder mentalem Engagement verbunden hat (und teilweise nicht einmal die). Bewundernswert, wer eines dieser Supergedächtnisse hat, jedoch hat es sich im Austausch mit anderen und auch mir persönlich erwiesen, dass es wie beschrieben ist. Natürlich gibt es auch hier einige Lösungstechniken, z.B. das intensive Notieren der eigenen Erkenntnisse, um dann darauf zurückgreifen zu können. Interessant ist dann im Besonderen, wie erstaunt man nach einigen wenigen Jahren sein wird, dass dieser eine notierte Gedanke wirklich von einem selbst stammt.

Diesen beiden Herangehensweisen durfte ich selbst in viele Jahren ausgiebig nachgehen und mich mit anderen darüber austauschen, ob ihr Gedächtnis und ihr Erkenntnisstand daraufhin ebenso wie das meine arbeitet - und welch Wunder, wir Menschen ticken ähnlich, manchmal sogar gruselig ähnlich.

Als Zeuge Jehovas verwendete ich zusätzlich natürlich auch immer sehr viel Zeit für das Betrachten einzelner Verse, auf die in den Publikationen der Zeugen Jehovas verwiesen wird und mit denen man sich im Vorfeld bei der Vorbereitung und bei den einzelnen Gottesdiensten beschäftigt. Dies fördert natürlich das allgemeine Bibelwissen und bringt verschiedene Passagen in interpretative Zusammenhänge.

Da nun die Bibel-durchlesen-Variante und die Bibelbuch-nach-Bibelbuch durchstudieren-Variante (und die "ich studiere einfach immer das Bibelbuch, das ich noch am wenigsten häufig durchstudiert habe"-Variante) die erwähnten Vorteile wie auch Nachteile haben, fing ich eines Tages mal an, etwas anderes zu probieren. Am glaubensgebenden und erkenntnisreichsten empfand ich immer die Evangelien. Daher las ich die Evangelien exzessiver als je zuvor. Und dann nochmal. Und nochmal. Rauf und runter. Meist komplett als Ganzes, mal gemixt, mal passagenweise. Ich stellte schon Jahre vor dieser neuen Lesevariante fest, wie es einen Aufblühen lässt, sich eine gewisse Zeit nur mit den Evangelien zu beschäftigen, doch das neue exzessivere Lesen übertraf dieses Gefühl nochmals. Und es gibt Gründe, warum dies im Sinne des Herrn ist, es so zu tun: Jesus IST der Weg und die Wahrheit und das Leben. Wenn also nicht er, wer dann, kann einem die Augen für den Rest der Bibel öffnen und die richtigen Verbindungen und Schlussfolgerungen ziehen lassen? Dieses intensive Beschäftigen mit Jesus hat zur Folge, dass man - so fühle ich - den Rest der Bibel mit einer christusähnlicheren Gesinnung betrachten kann und besser versteht, wie was einzuordnen ist, besonders in Bezug auf den Willen und die Maßstäbe Jehovas. Jesus ist die Erfüllung "des Gesetzes und er Propheten", wie also könnte man das Alte Testament besser verstehen, als durch ihn. Wenn dieses Posting also eine ermunternde Botschaft hat, dann Folgende: Lies die Evangelien rauf und runter, immerzu, in jeder freien Minute. Außerdem empfehle ich, dem Urtext möglichst nahe zu kommen, indem man texttreue und auf Verständlichkeit abzielende Übersetzungen parallel liest und vergleicht oder sogar mit Sprachschlüsseln arbeitete . Wer versteht, wie man die einzelnen Aussagen noch übersetzen kann, wir im Laufe der Zeit auch mit dem Spielraum, der interpretativ gegeben ist, besser umgehen können.

Nun gibt es innerhalb der Zeugen Jehovas wie auch außerhalb gewisse Strömungen, die ich erst nach meinen Bibelleseselbstexperimenten näher kennen lernte, die aus ähnlichen oder gleichen Gründen genauso an die Bibel herangehen. Alles im Lichte der Person Jesu betrachten, so wie es geschrieben steht, dass "in ihm ALLE Schätze der Weisheit sorgsam verborgen sind" (Kol. 2, NW). Diese Herangehensweise bringt etwas differenzierte Sichtweisen auf manche Strukturen und Maßstäbe innerhalb der christlichen Religionen mit sich. Z.B. die wie für selbstverständlich gehaltene Übertragung von Maßstäben und Strukturen des Gesetzes Mose in die Christenversammlung (Gemeinde) hinein fällt zunächst einmal überhaupt erst auf.* Es ist erfrischend zu sehen, dass andere zum einen die gleiche Weise zur Aneignung von biblischer Erkenntnis entdeckt haben und zum anderen, dass sie dadurch auf identische oder sehr ähnliche Erkenntnisse gekommen sind. Inwieweit dies parallelen Strömungen vom Geist Gottes initiiert und geleitet wurden kann ich als Erdenmensch natürlich nicht mit Gewissheit sagen, aber es ist sicher immer gut und besser als alles sonst auf dieser Erde, wenn man Jehova und seinem Sohn Jesus Christus zuhört und von ihnen lernt und sie so mit dem geistigen Auge sieht.

In der Liebe des Herrn

Kyp


* Beispiele hierfür wären der Zehnte bei der RCG, Neuapostolen und Adventisten des Siebenten Tages, sowie die überaus häufig betonte Bedeutung der Zugehörigkeit zum "Volk Gottes" sowie Vorgehensweisen in "Rechtsfragen" (inquisitorische bzw. die interne Kirchenrechtssprechung betreffende, auf vermeintlichen Purismus abzielende Herangehensweisen). Inwieweit dies alles seine Berechtigung anhand des Neuen Testaments hat ist allerdings ein gesondertes Thema.

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